„Da muss man nicht öfter zum Arzt als ein Durchschnittsbürger“

„Da muss man nicht öfter zum Arzt als ein Durchschnittsbürger“

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnt vor den Risiken einer rein veganen Ernährung. Claus Leitzmann vom Institut für alternative und nachhaltige Ernährung sagte im DLF, wer vergan lebe, müsse sehr gut auf die ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 achten. Besonders bei Kindern könne ein Mangel zu schwerwiegenden Folgen führen.

Claus Leitzmann im Gespräch mit Stefan Römermann

Stefan Römermann: In Sachen Ernährung, da gibt es momentan einen ganz großen Trend: vegan, also komplett auf tierische Produkte zu verzichten, nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Milch, Eier oder Honig. Kaum eine Frauenzeitschrift, kaum ein Fitness-Magazin, das nicht über leckere vegane Rezepte berichtet oder über die angeblich so vorteilhafte vegane Ernährung. Ernährungswissenschaftler sehen das Ganze offenbar eher mit gemischten Gefühlen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung warnt jetzt vor den Risiken einer rein veganen Ernährung. Darüber spreche ich jetzt mit Claus Leitzmann, Ernährungswissenschaftler von der unabhängigen Gesundheitsberatung. Herr Leitzmann, was ist denn das größte Risiko, wenn ich auf tierische Produkte komplett verzichte?

Claus Leitzmann: Das hat die DGE in ihrer Stellungnahme sehr schön dargestellt. Es ist in erster Linie das Vitamin B12, immer vorausgesetzt, dass die Veganer das wirklich auch konsequent und langfristig machen.

Römermann: Ab wann wird das gefährlich, wenn ich darauf verzichte? Wenn ich jetzt einfach mal für ein paar Monate darauf verzichte, ist das offenbar noch kein Problem.

Leitzmann: Ein paar Monate ist noch in Ordnung, denn Vitamin B12 wird in der Leber gespeichert, kann dann für Monate, manchmal sogar für ein Jahr halten. Aber irgendwann sind diese Speicher erschöpft und dann muss Vitamin B12 auf eine andere Weise zugeführt werden.

Römermann: Was passiert, wenn ich das nicht tue?

Leitzmann: Das hat schwerwiegende Folgen, besonders für wachsende Organismen, also für Kinder, denn das B12 ist an der Zellteilung beteiligt. Das wäre also eine richtige Mangelernährung.

Römermann: Für Kinder und Jugendliche ist das eher nicht zu empfehlen, oder würden Sie sagen, das kann man auch machen, die übertreiben an der Stelle mit den Risiken?

Leitzmann: Die DGE ist sehr vorsichtig in ihren Empfehlungen und spricht auch die entsprechenden Warnungen aus. Aber die Wirklichkeit zeigt, dass die Veganer gut informiert sind, und gerade wenn sie ihre Kinder auch vegan ernähren, das in der Regel auch richtig machen.

Römermann: Aber da muss man wirklich aufpassen?

Leitzmann: Ja, das ist so. Natürlich gibt es Veganer, die es aus ethischen Gründen machen, die sich vielleicht nicht so viele Gedanken über die Nährstoffzufuhr und so weiter machen. Das kann Probleme geben. Aber die Erfahrungen sind: Die Veganer, das sind meistens in erster Linie Frauen, die sind gebildet, die haben sich informiert und die machen das auch richtig.

Vegetarismus als ausgewogene Ernährung

Römermann: Sie haben gerade gesagt, viele Veganer machen es aus ethischen Gründen. Momentan ist ja eher die Welle, dass das so ein hippes Lifestyle-Ding wird. Würden Sie denn sagen, aus ernährungswissenschaftlicher Sicht würden Sie auch zu veganer Ernährung unbedingt raten, oder würden Sie da eher zu was anderem raten, wenn ich mich einfach wirklich gut und gesund ernähren will?

Leitzmann: Wenn man nur auf die Gesundheit achtet, muss es nicht der Veganismus sein. Dann wäre zum Beispiel der Vegetarismus, wie wir ihn auch in der Vollwert-Ernährung empfehlen, die richtige Variante. Das heißt, Milchprodukte und Eier sind dann erlaubt. Die müssen nicht in großen Mengen gegessen werden, aber dadurch sind auch diese Themen, die immer wieder angesprochen werden, Vitamin B12 und so weiter, in Ordnung.

Römermann: Man braucht ja offenbar, wenn man auf diese tierischen Produkte komplett verzichtet, zum einen Nahrungsergänzungsmittel, dieses Vitamin B12, und man muss auf der anderen Seite auch darauf achten, dass man sich besonders ausgewogen ernährt. Worauf sollte man da besonders achten?

Leitzmann: Die ausgewogene Ernährung wird ja für alle Bürger empfohlen, und die ist ja heute auch möglich, dass man die verschiedensten Lebensmittelgruppen mit einbezieht. Für Veganer wären das dann neben dem Getreide, Gemüse, Obst auch Leguminosen, Nüsse, Kräuter, Beeren. Die Auswahl ist riesig. Kein Veganer muss sich einseitig ernähren. Dass es trotzdem auch mal gemacht wird und dass gerade diese Personen dann auffallen, führt immer wieder dazu, dass man dann auch diese Warnungen ausspricht, wie wir sie in dieser Stellungnahme gelesen haben.

Römermann: Die DGE empfiehlt auch, dass man sehr, sehr regelmäßig zum Arzt gehen soll als Veganer. Stimmen Sie da zu oder halten Sie das für übertrieben?

Leitzmann: Ja, ich halte es schon für ein bisschen übertrieben. Wer unsicher ist und wer auch Probleme spürt, der sollte durchaus mal zum Arzt gehen, um das abzusichern. Aber ein Veganer muss nicht öfter zum Arzt gehen als ein Durchschnittsbürger.

Römermann: Risiken und Nebenwirkungen von veganer Ernährung – das waren Informationen von Claus Leitzmann, Ernährungswissenschaftler von der unabhängigen Gesundheitsberatung. Vielen Dank.

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