Wunder oder Wagnis: Was die Acht-Stunden-Diät bringt

Abnehmen ohne Kalorienzählen

Wunder oder Wagnis: Was die Acht-Stunden-Diät bringt

Freitag, 23.08.2013, 06:52 · von FOCUS-Online-Redakteurin Kerstin Kotlar

Das Rezept: acht Stunden essen, 16 Stunden fasten. Die Acht-Stunden-Diät verspricht ein bis zwei Pfund Gewichtsverlust pro Woche ohne Kalorienzählen. Was die Ernährungsumstellung tatsächlich erreicht und warum sie sogar gefährlich sein kann.

„Essen Sie, was immer Sie wollen, so viel Sie wollen. Aber begrenzen Sie Ihre Essenszeit auf nur acht Stunden am Tag. Das ist alles“, so simpel funktioniert das Konzept von David Zinczenko. Dazwischen heißt es: 16 Stunden gar nichts essen. Der US-Fitnessexperte und Chefredakteur von „Mens‘ Health“ geht davon aus, dass es vor allem entscheidend sei, die Kalorien zu einer bestimmten Tageszeit zu sich zu nehmen und dem Körper diese Fastenperiode zu verschaffen. Ein bis zwei Pfund Gewichtsverlust soll eine Durchschnittsperson pro Woche verlieren. Das propagiert die dazu gehörige Internetseite der „8 Hour Diet“.

Dass nicht allein die Menge an Kalorien darüber entscheidet, ob Menschen zu- oder abnehmen, sondern auch der Zeitpunkt, bildet die Grundlage unterschiedlicher Ernährungsmethoden und Studien. So basiert die sogenannte „Schlank im Schlaf“-Methode ebenfalls auf der Theorie, den Blutzuckerspiegel am Abend nicht in die Höhe zu treiben, damit die Fettverbrennung über Nacht auf Hochtouren läuft. „Es gibt chronobiologische Studien, die zu dem Schluss kommen, dass der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme einen Einfluss darauf hat, wie der Körper Kalorien verarbeitet“, bestätigt Ökotrophologe Andrea-Ciro Chiappa der Academia Diaetetica.

Fastenzeit wirkt auf den Stoffwechsel

In diesem Zusammenhang verweisen der Ernährungswissenschaftler und andere Befürworter der Stoffwechseldiät auf die Studie der Forscher Satchin Panda, Megumi Hatori und ihres Teams am Salk Institute in La Jolla. Sie hatten im vergangenen Jahr ein der Acht-Stunden-Diät ähnliches Modell an Mäusen untersucht. Dafür teilten sie die Testmäuse in zwei Gruppen ein. Die erste durfte fressen, wann immer sie wollte. Die zweite hatte einen begrenzten Futterzugang von acht Stunden am Tag. Auf dem Menüplan stand besonders fettreiche Nahrung. Das Ergebnis nach 100 Tagen: Die Mäuse nahmen die gleiche Menge an Kalorien zu sich, egal zu welchem Zeitpunkt sie aßen. Die Permanentesser allerdings brachten mehr auf die Waage als die anderen Nager. Die Mäuse, die nur begrenzt futterten, nahmen nur zwei Drittel des Körpergewichts der Vergleichsgruppe zu. Außerdem ging es ihnen gesundheitlich besser. Sie hatten nicht wie ihre Artgenossen hohe Cholesterinwerte, einen erhöhten Blutzuckerspiegel und Leberprobleme. Studienleiter Panda erklärte das Ergebnis damit, dass die längere Fastenzeit zwischen den Mahlzeiten dem Stoffwechsel mehr Zeit gebe, vom Speicher- in den Verbrennungsmodus zu wechseln. Damit wäre durch die Pause das kalorienreichere Essen besser ausgeglichen.

Was Mäusen hilft, ist auf Menschen nicht übertragbar

Jedoch betont der Wissenschaftler, dass diese Erkenntnisse keinesfalls auf den menschlichen Organismus übertragbar seien. „Unsere Arbeit zeigt, dass 16 Stunden fasten bei Mäusen Stoffwechselkrankheiten und Adipositas vorbeugt“, erläutert Panda auf Nachfrage von FOCUS Online. „Wir haben niemals behauptet, dass ein solches Ernährungsmuster zu Gewichtsabnahme führen würde.“ Vom Begriff der Acht-Stunden-Diät David Zinczenkos distanziert der Forscher sich ausdrücklich: „Davids Assistent Peter Moore hat mich interviewt, als die Studie herauskam, und dann ohne mein Wissen ein Buch geschrieben.“

Kritisch betrachtet auch Johannes Wechsler die Ernährungsweise. Der Leiter des Zentrums für Ernährungsmedizin und Prävention am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München hält nichts von der Abnehmmethode.

16 Stunden Fasten belastet den Körper

„Nur acht Stunden am Tag zu essen, ist metabolischer Unsinn“, urteilt Wechsler. „Das ist ein ähnliches Konzept wie im Ramadan. In dieser Zeit nehmen die Menschen auch nicht ab, weil sie einfach in der restlichen Zeit umso mehr essen.“ Diese Gefahr sieht Chiappa weniger gegeben. Vielmehr sinke mit der Beschränkung auf acht Stunden das Risiko der Überernährung. „Die Wahrscheinlichkeit eine Kalorienreduktion zu erreichen, ist umso größer, je kleiner der Zeitraum ist, in dem man essen kann. Insofern kann die Acht-Stunden-Diät zum Abnehmen durchaus sinnvoll sein“, sagt der Fastentherapie-Spezialist. „Doch das kommt sehr auf den Einzelnen und seinen individuellen Stoffwechsel an.“

Acht Minuten Sport und Power-Nahrungsmittel

Weil der Körper erst nach mehreren Stunden beginnt, gespeichertes Fett zu verbrennen sowie die Produktion von Glykogen und Cholesterin herunterzufahren, ist der Autor der Acht-Stunden-Diät Zinczenko ein Frühstücksgegner. Die frühe Mahlzeit stoppt nach seiner Meinung die Fettverbrennung. Seine Empfehlung: Bewegung und eine kalte Dusche, um den Stoffwechsel morgens in Schwung zu bringen. Acht Minuten intensives Work-out wie schnelles Gehen, Seilspringen oder Liegestützen sollen genügen.

Ein paar Einschränkungen gibt es bei der „Essen, was Sie wollen“-Devise dann doch. Zinczenko rät ab von Weißbrot, Reis und Süßigkeiten, da sie den Insulinspiegel schnell nach oben treiben und später für Heißhunger sorgen. Stattdessen empfiehlt der Ernährungsexperte zu jeder Mahlzeit zwei seiner acht „Power-Nahrungsmittel“ zu essen. Dazu gehören einerseits „Fettverbrenner“ wie Eier, magerem Fleisch, Nüsse oder Bohnen, andererseits „Fitmacher“ wie blaues Obst (Trauben, Brombeeren), rotes, gelbes oder grünes Gemüse und Früchte (Tomaten, Erdbeeren). Seine Essenratschläge gehen dementsprechend von Salat mit Walnüssen über Joghurt mit Blaubeeren bis zu Roastbeef mit Tomaten-Sandwich. Nach diesen Schlemmereien ist wieder Fasten angesagt. Selbst wenn es nur drei Tage die Woche werden, verspricht Zinczenko bereits positive Effekte.

 

Die Auswirkungen des 16-Stunden-Fastens

Zeitweiser Verzicht auf Essen ist auch als intermittierendes Fasten bekannt. „So würde ich die Acht-Stunden-Diät allerdings nicht bezeichnen, weil der Körper nicht in den Fastenstoffwechsel gelangt“ , erklärt Chiappa. Er sei gekennzeichnet durch eine ketogene Stoffwechselsituation, in welcher der Organismus seine Energie nicht mehr aus der Glukose im Körper beziehe, sondern in den Fettverbrennungsmodus schalte. Diese beginne erst ab dem zweiten Fastentag. Dennoch könnte auch die 16-Stunden-Essenspause zur „Reduktion der Leberfettwerte, Senkung des Insulinspiegels und Verbesserung der Blutwerte“ beitragen. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit gegeben, dass Entzündungsreaktionen im Körper abnähmen.

Ganz anderer Meinung ist da Ernährungsmediziner Wechsler. Seiner Ansicht nach habe es keine positiven Auswirkungen auf den Stoffwechsel, wenn man statt fünf 16 Stunden zwischen den Mahlzeiten faste. Im Gegenteil. Verteilte Mahlzeiten sorgten für eine bessere Stoffwechselsituation, weil der Körper dann nicht auf Hochtouren laufe. Sei die Verdauung aber auf nur acht Stunden konzentriert, belaste das den Organismus.

Besonders der Zucker- und Fettstoffwechsel gerate durch die geballten Mengen in einen Ausnahmezustand. Wenn die Bauchspeicheldrüse und die Leber dann quasi ständig Vollgas fahren müssten, stelle das eine Gefahr für den Körper dar. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und degenerative Gefäßerkrankungen steige an. Wechsler gibt also zu bedenken: „Insgesamt könnte sich durch die Acht-Stunden-Diät die Lebensdauer eher verkürzen als verlängern.“

 

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